Comfortably Numb

Es gibt Gitarrensoli, die beeindrucken durch Geschwindigkeit, technische Brillanz oder Komplexität. Und es gibt Soli, die etwas anderes tun: Sie erzählen.
Das Gitarrensolo von David Gilmour in Comfortably Numb gehört unzweifelhaft zur zweiten Kategorie – und ist genau deshalb eines der eindrucksvollsten der Rockgeschichte.

Comfortably Numb ist kein lautes Stück. Es drängt sich nicht auf. Es schleicht sich an. Der Song lebt von Spannung, von Zurückhaltung, von einem stetigen inneren Konflikt zwischen Distanz und Emotion. Gilmours Gitarre ist dabei nicht bloß ein Instrument – sie ist die Stimme dessen, was der Protagonist selbst nicht mehr sagen kann.

Bereits das erste Solo, nach den ruhigen, fast klinischen Strophen, zeigt Gilmours einzigartige Handschrift. Kein überflüssiger Ton, kein Hast. Jede Note ist bewusst gesetzt, jede Pause ebenso wichtig wie der Ton selbst.
Hier geht es nicht um Virtuosität, sondern um Klangfarbe, Bending, Vibrato – um das langsame Öffnen eines emotionalen Raums. Die Gitarre wirkt suchend, fast zögerlich, als würde sie prüfen, wie viel Gefühl noch zugelassen werden kann.

Das zweite Solo – jenes, das am Ende des Songs steht und weltweit immer wieder als eines der größten Gitarrensoli aller Zeiten bezeichnet wird – ist etwas völlig anderes. Hier bricht sich die Emotion Bahn.
Gilmour baut das Solo nicht auf Geschwindigkeit oder technische Eskapaden auf, sondern auf Melodie und Spannung. Die berühmten langen Bendings, das ausdrucksstarke Vibrato und der warme, singende Ton erzeugen das Gefühl, dass jede Note aus tiefster Überzeugung gespielt wird.

Was dieses Solo so außergewöhnlich macht, ist seine Geduld. Es hetzt nicht zum Höhepunkt – es wächst langsam, fast unausweichlich. Der Klang scheint zu schweben, sich zu dehnen, Raum zu schaffen. Wenn das Solo schließlich seinen emotionalen Gipfel erreicht, fühlt es sich nicht wie ein Effekt an, sondern wie eine Erlösung.

Vielleicht ist das Entscheidende an Comfortably Numb, dass es nichts erklären will. Es fühlt.
Das Solo wirkt bis heute, weil es universell ist. Man muss kein Gitarrist sein, um es zu verstehen. Man hört es – und spürt etwas. Melancholie, Verlust, Sehnsucht, vielleicht auch Trost.

David Gilmour hat mit diesem Solo gezeigt, dass musikalische Größe nicht in der Anzahl der gespielten Noten liegt, sondern in der Fähigkeit, mit wenigen Tönen eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die auch Jahrzehnte später nichts von ihrer Kraft verloren hat.

Comfortably Numb endet leise. Aber das Solo hallt nach – lange, nachdem der letzte Ton verklungen ist.